Anfragen
18.02.2016, 12:01 Uhr | Abgeordnetenhaus Berlin
 
Schriftliche Anfrage zum Thema Fehlender Versicherungsschutz
1. Stimmen nach Erkenntnissen des Senats Berichte, wonach im Bereich der Migrantenmedizin die Zahl der Behandelten ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung im Rückgang begriffen ist?

2. Ist dem Senat zugleich bekannt, dass die Zahl der dort Behandelten, die aus anderen Staaten der EU ihr Recht auf Freizügigkeit nutzen, aber keinen Anspruch auf medizinische Behandlung und Betreuung haben, deutlich im Wachsen ist?

3. Ist dem Senat bekannt, dass zunehmend Berliner Krankenhäuser Behandlungskosten dieser Patientengruppe nicht realisieren können, nachdem diese als Notfälle eingeliefert und behandelt worden sind?

4. Hält der Senat es für angemessen, dass entsprechende Kosten und Dienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich allein durch Spenden und ehrenamtliche Tätigkeit beglichen und geleistet werden?

5. Welche Alternativen staatlicher Finanzierung sieht der Senat in diesem Zusammenhang bzw. ist er bereit zu ergreifen?

6. Gilt der Tatbestand wachsender Zahlen von Nichtversicherten aus anderen EU-Ländern auch für die anderen Bundesländer, im Besonderen für die Stadtstaaten und plant der Senat diesbezüglich ggf. ein gemeinsames Handeln der Länder, um hier ein angemessenes Finanzierungssystem zu entwickeln?
Abgeordnetenhaus Berlin -

Zu 1. und 2.:
Der Senat geht davon aus, dass sich die Fragen auf die Malteser Migranten Medizin beziehen. Nach den Erkenntnissen der Malteser Migranten Medizin hat sich der Anteil der Patientinnen und Patienten mit irregulärem Aufenthalt an der Gesamtzahl der behandelten Fälle nicht verändert. Der Versorgungsbedarf ist teilweise intensiver geworden, insbesondere durch chronische Krankheiten und Infektionskrankheiten.

Zu 3.:
In den Krankenhäusern der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH können Behandlungskosten für stationäre, teilstationäre und ambulante Leistungen dieser Patientengruppe von rund 600.000 Euro jährlich nicht realisiert werden (Durchschnitt 2012 bis 2015). Auch andere Berliner Krankenhäuser können Behandlungskosten für die notfallmäßige Behandlung von Bürgerinnen und Bürgern aus EU-Staaten sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich teilweise nicht realisieren. Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) führt derzeit eine Umfrage zur Notfallversorgung von EU-Patientinnen und EU-Patienten durch, konkrete Zahlen liegen noch nicht vor.

Die BKG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für die Patientengruppe der nicht-versicherten EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern den Berliner Krankenhäusern die Beweislastregelung des § 25 SGB XII (Nothelferparagraph) Probleme bereitet. Die Krankenhäuser als Nothelfer müssen gegenüber dem zuständigen Sozialhilfeträger die Bedürftigkeit der Patientinnen und Patienten und das Vorliegen eines Eilfalles beweisen. Die Beweisführung scheitert aus verschiedenen Gründen – z. B. weil der Identitätsnachweis der Patienten nicht vorliegt, weil es an der Mitwirkung der betreffenden Patientinnen und Patienten fehlt, oder weil die Bedürftigkeit in der Regel anhand von Dokumenten wie Kontoauszug, Mietvertrag etc. geprüft wird, die jedoch nicht vorliegen und/oder nicht beschafft werden können.

Eine weitere Hürde bei der Realisierung der Behandlungskosten der angesprochenen Patientengruppe stellt die rechtskonforme Praxis der Sozialhilfeträger dar, nur einen tagesbezogenen Anteil der maßgeblichen Fallpauschale zu vergüten. Da Krankenhäuser verpflichtet sind, unverzüglich nach Aufnahme den Sozialhilfeträger zu informieren und der Zeitpunkt der Unterrichtung die Zäsur für die Berechnung der anteiligen Vergütung bildet, besteht ein direkter Kostenerstattungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger daher in der Regel nur noch für den ersten Tag der Aufnahme oder für ein Wochenende - also nur dann, solange noch keine Dienstbereitschaft des zuständigen Sozialhilfeträgers besteht. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Sozialhilfeträgers wandelt sich der Kostenerstattungsanspruch des Krankenhauses gegen den Sozialhilfeträger in einen eigenständigen Anspruch der Patientin/ des Patienten um, welchen auch nur dieser geltend machen kann. Neben einer Verkomplizierung des Abrechnungsverfahrens trägt insofern das Risiko, dass der Patient bei der Durchsetzung seines eigenen Sozialhilfeanspruchs nicht mitwirkt, allein das Krankenhaus.

Zu 4.:
Es ist nicht zutreffend, dass allein durch Spenden und ehrenamtliche Tätigkeit die gesundheitliche Versorgung stattfindet. Der Senat fördert seit vielen Jahren die Malteser Migranten Medizin und hat außerdem einen Notfallfonds zur Finanzierung von Entbindungen bei nicht krankenversicherten Unionsbürgerinnen in prekären Verhältnissen eingerichtet.

Zu 5. und 6.:
Die Situation, dass in zunehmendem Maße nicht versicherte Unionsbürgerinnen und Unionsbürger z. B. die Nothilfe der Krankenhäuser in Anspruch nehmen, stellt sich nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Ballungsräumen. Ein Berliner Vorschlag, die Beweislast für den Bereich der stationären Krankenbehandlung von der Nothelferin/ vom Nothelfer auf den Sozialhilfeträger zu verlagern oder einen Kostendeckungsfonds einzurichten, wurde seitens der Konferenz der Amtschefinnen und Amtschefs der B-Länder (BACK) zur Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 29./39. April 2014 nicht weiter verfolgt.

Eine alternative Finanzierungsform zu den Vorgaben des § 25 SGB XII wird aktuell nicht gesehen.

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