Reden
05.12.2014, 11:23 Uhr | Kongress der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde
 
Rede zum Thema Eingliederungshilfe

Joachim Krüger (CDU):

Am 4. Und 5. Dezember fand in Berlin der Kongress der Bundesarbeitsgemeinschaft  Gemeindepsychiatrischer Verbünde statt. In Vertretung von Staatssekretär Gerste hielt der CDU-Abgeordnete und stellv. Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Gesundheit und Soziales, Joachim Krüger das Einleitungsreferat:

Kongress der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde -

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren!

Zuerst möchte ich Ihnen dafür danken, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde e.V. hier in Berlin tagt.

Sie haben Ihr Seminar mit dem Titel überschrieben:

Reform der Eingliederungshilfe als Chance: Psychiatrische Qualität durch Vernetzung. Ich entnehme diesem Titel, dass Sie das Thema positiv besetzen wollen.

Die Diskussion um eine Reform der Eingliederungshilfe  im Rahmen eines neuen Bundesteilhabegesetzes dauert nun schon einige Jahre an:

Der sog. ASMK-Prozess nahm 2007 seinen Anfang (Hintergrund: UN-Behindertenrechtskonvention), mündete 2012 in ein Grundlagenpapier der „Bund-Länder-Arbeitsgruppe“.

Ausgehend von der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD bei der Gründung der „Großen Koalition“ auf Bundesebene nach dem Bundestagswahlen 2013, soll nun –noch in dieser Legislaturperiode des BT-das Bundesteilhabegesetz unter „Dach und Fach“ gebracht werden.

Die Anerkennung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe soll dabei zu einer Kostenentlastung der Länder und Kommunen und damit zu einer Kostenübernahme durch den Bund führen, nach neuestem Stand bis 2017 um eine Milliarde €. durch das „Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen“  und danach von weiteren 4 Mrd. € im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes. Entsprechende Möglichkeiten sind derzeit in der Diskussion.

Schaut man sich die Grundpositionen von SPD und CDU/CSU für ein neues Teilnahmegesetz genauer an, so ist auf den ersten Blick eine weitgehende Übereinstimmung festzustellen, was sicherlich nicht heißt, dass in manchen Details in den kommenden Monaten nicht noch weitere Abstimmungen erforderlich sind.

Im Sommer 2015 soll schließlich ein erster Referentenentwurf vorgelegt werden.

Grundlegende Veränderungen werden von Seiten der Politik bezüglich der Reform der Eingliederungshilfe und damit der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes angestrebt.

Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen sollen einen Nachteilsausgleich erfahren. Dazu sollen die Kosten der Existenzsicherung,  also für den Lebensunterhalt und die Wohnung  abgetrennt werden von den Kosten für den wie es immer heißt „fachlichen Bereich“, also z.B. von fachlich therapeutischen Leistungen.

Nicht zwingend sind relative Armut und Behinderung einander bedingend, wenn auch im derzeitigen System die Kosten der Behinderung schnell in die Sozialhilfeabhängigkeit führen können.

Deshalb ein zweiter Grundsatz (wie ich meine gerecht und nunmehr politisch gewollt): Die Hilfeberechtigten sollen nicht mehr vorab ihr Einkommen bzw. ihr Vermögen einsetzen müssen, bevor der Staat für entsprechende Kosten eintritt. Die SPD schlägt dazu als erstes für die laufende Legislaturperiode eine deutliche Erhöhung der Freibeträge vor, aber –so meine ich- das Ziel muss die völlige Entflechtung  beider Bereiche sein. Der Nachteilsausgleich muss unabhängig von der Einkommens- bzw. Vermögenslage der Menschen mit Behinderung erfolgen.

In den Mittelpunkt aller Überlegungen und Maßnahmen soll der betroffene Mensch rücken: eine umfassende gut koordinierte Beratung, ein auf die Bedürfnisse des Einzelnen ausgerichtetes Hilfs- und Unterstützungsangebot, das auch seine Wünsche und sein Wahlrecht berücksichtigt, nach einheitlichen in allen Bundesländern gültigen Grundsätzen sind in Einklang zu bringen mit den besonderen Bedingungen vor Ort, im Kiez, in der Gemeinde. Hier geht es besonders um die Vernetzung der Angebote im ambulanten wie im stationären Sektor.

Bei der Bedarfsermittlung, der Durchführung und der Qualitätskontrolle muss ein ausgewogen-begründetes Verfahren zwischen Leistungsträger, Leistungserbringer und dem Leistungsberechtigten festgeschrieben werden, das eine Teilhabe des Behinderten sichert und zugleich auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt.

In der Diskussion ist auch die Möglichkeit eines Bundesteilhabegeldes, dazu befinden sich in den Positionspapieren der Regierungsparteien Prüfaufträge, denn wir sind uns schon bewusst, dass eine solche Pauschalierung ggf. weniger geeignet sein kann, individuelle Mehrbedarfe ausreichend zu berücksichtigen und damit die nötige Flexibilität zu ermöglichen.

Wenn wir den Begriff der „Teilhabe“ ernst nehmen, und das wollen wir, dann muss daraus auch eine veränderte Definition von „Behinderung“ erwachsen.

Die notwendige zukünftige Unterstützung jedes einzelnen Betroffenen muss zukünftig über die Existenz sichernde und pflegerische Leistung hinaus eine größtmögliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dies verlangt nicht nur einen erheblich höheren Mitteleinsatz, sondern auch einen (im wahrsten Sinne des Wortes) Umbau unserer Gesellschaft in vielen Bereichen. Dies kann hier jedoch –dafür werden Sie Verständnis haben- nur angedeutet werden.

Einen wesentlichen Punkt von Teilhabe und Eingliederung möchte ich jedoch noch ansprechen: Es geht mir um die Teilhabe an Bildung, Ausbildung und beruflicher Beschäftigung.

Wir haben in Berlin ein breites System an Werkstätten für Behinderte, das gut in die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs eingebunden ist und vielen Menschen eine anerkannte, verlässliche Beschäftigung bietet, die auch gerade gesellschaftliche Anerkennung findet. Diese Angebote müssen auch unter einem veränderten gesetzlichen Rahmen erhalten bleiben und ausgebaut werden.

Zugleich gilt es den Übergang in Integrationsfirmen und auf den ersten Arbeitsmarkt zu intensivieren: In den letzten Jahren sind in Berlin u.a. mit Mitteln aus den Ausgleichszahlungen der Betriebe mit zu geringem Anteil an Arbeitnehmern mit Behinderung  Möglichkeiten zur individuellen Begleitung junger Menschen von der Schulbank in eine Ausbildung im dualen System erfolgreich  angewendet worden. Auch in Werkstätten Tätige wurden individuell begleitet, wenn sie das Wagnis eines Wechsels in den ersten Arbeitsmarkt eingingen.

Diese Maßnahmen müssen auch zukünftig weiter entwickelt, unterstützt und finanziert werden. In diesem Zusammenhang  ist ein gesetzlich abgesicherter Rückkehranspruch beim Nichtgelingen der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt unbedingt erforderlich, um verständlichen Ängsten entgegenzuwirken!

Schließlich möchte ich noch bemerken, dass die Thematik Bundesteilhabegesetz und Eingliederungshilfe in weiten Kreisen auch der politisch interessierten Öffentlichkeit –wie ich immer wieder feststellen muss- noch lange nicht genügend angekommen ist. Hier werden wir alle gemeinsam noch erhebliche Öffentlichkeitarbeit leisten müssen, auch um Akzeptanz für ggf. höhere Sozialausgaben aus Steuermitteln zu erzielen. Denn bei allen Beteuerungen, mit den anstehenden  Reformvorhaben keine neuen Ausgaben generieren zu wollen, möchte ist feststellen, dass eine Durchsetzung von Inklusion und Teilhabe nicht zum Nulltarif zu haben ist.

Sicherlich berühren diese, meine Ausführungen nur einige Aspekte der Gesamtthematik Ihres Kongresses und so bin ich sehr gespannt auf die Ergebnisse, die Sie erarbeiten und sicherlich in einem umfassenden Konferenzbericht zusammenfassen werden.

Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit viel Erfolg und darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken!  

CDU Deutschlands CDU-Mitgliedernetz Online spenden Deutscher Bundestag
Angela Merkel CDU.TV Newsletter CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Angela Merkel bei Facebook
© CDU Charlottenburg-Nord   | Startseite | Impressum | Datenschutz | Kontakt | Inhaltsverzeichnis | Realisation: Sharkness Media | 0.01 sec. | 17936 Besucher