Anfragen
05.05.2015, 12:30 Uhr | Abgeordnetenhaus von Berlin
 
Schriftliche Anfrage zum Thema Pflege – im Öffentlichen Dienst mit dem Beruf vereinbar?

1. Hält der Senat die Rücksichtnahme auf familiäre Pflegeherausforderungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen seiner propagierten Unternehmenskultur für gerechtfertigt und notwendig?

2. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes auf Landesebene stehen derzeit wegen der Pflege naher Angehöriger arbeitsmäßig teilweise oder gar nicht zur Verfügung?

3. Wie ist das Verfahren zur zeitweisen Reduzierung von Dienstzeiten zur Pflege naher Angehöriger bezogen auf beamtete und angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

4. Gab es in diesem Bereich in den letzten Jahren Ablehnungen solcher Anträge und wenn ja, aus welchen Gründen?

5. Welche Aktivitäten sind in den einzelnen Senatsabteilungen im Rahmen des Gesundheitsmanagements unternommen worden bzw. sind geplant, um pflegende Angehörige, die im öffentlichen Dienst tätig sind, die Möglichkeit in ihrem beruflichen Umfeld zu geben, um mit anderen Betroffenen im Rahmen von Selbsthilfegruppen ihre Erfahrungen auszutauschen?

6. Gibt es (schriftlich formulierte) Empfehlungen an die Leitungskräfte in den einzelnen Senatsabteilungen, bei der Gestaltung des Personaleinsatzes auf Pflegeverpflichtungen einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen?

Abgeordnetenhaus von Berlin -

Zu 1.:
Ja, es ist Bestandteil der Verwaltungskultur, die Beschäftigten unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange in Situationen einer erforderlichen Pflege zu unterstützen.

Zu 2.:
Der Senat geht davon aus, dass ca. 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u.a. auch aus Gründen einer erforderlichen Pflege von Angehörigen teilweise oder gar nicht dienstlich zur Verfügung stehen. Eine weitere Diffe-renzierung ist wegen nicht vorhandener Auswertungsmerkmale im IPV-System nicht möglich.

Zu 3.:
Unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Gewährung von Teilzeit bzw. Urlaub aus Gründen einer Pflege machen an dieser Stelle eine Differenzierung zwischen den Statusgruppen der Tarifbeschäftigten und den Beamteninnen und Beamte erforderlich.

Tarifbeschäftigte

Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Pflegezeiten sind für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz geregelt. Aus beiden Gesetzen ergeben sich Rechtsansprüche und beide enthalten auch Verfahrensregelungen. Darüber hinausgehende generelle Verfahrensregelungen für die Dienststellen gibt es nicht.

Neben den gesetzlichen Regelungen bestehen auch tarifvertragliche. § 11 Abs. 1 TV-L regelt Teilzeitbeschäftigung zu Pflegezwecken. § 28 TV-L ermöglicht die Gewährung von Sonderurlaub auch zu Pflegezwecken; hier lehnt sich das Land Berlin bei der Ausgestaltung weit an die beamtenrechtlichen Regelungen an. Beide tarifvertraglichen Regelungen haben praktische Bedeutung, wenn Beschäftigte teilweise oder vollständige Freistellungen über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus anstreben.

Beamtinnen und Beamte

Eine (zeitweise) Reduzierung der Dienstzeit (Arbeitszeit) zur Pflege naher Angehöriger kann sowohl in Form einer Teilzeitzeitbeschäftigung (1.) als auch in Form einer Beurlaubung (2.) erfolgen.

§ 54 Absatz 4 Landesbeamtengesetz (LBG) in der Fassung vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70) zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes 9. Juli 2014 (GVBl. S. 285) sieht eine gesetzliche Teilzeitreglung zur Pflege von Angehörigen vor. Danach ist Beamtinnen und Beamten mit Dienstbezügen - sofern zwingende dienstliche Belange dem nicht entgegenstehen - auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu bewilligen, solange mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder eine pflegebedürftige sonstige Angehörige/ein pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger betreut oder gepflegt wird. Unter den genannten Voraussetzungen ist auch eine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung bis zu einem Mindestumfang von 30 von Hundert der regelmäßigen Arbeitszeit für max. 12 Jahre zulässig.

Konkrete Verfahrensregelungen bestehen hierzu nicht. Aus dem Wortlaut der Regelungen ergeben sich jedoch bestimmte Verfahrensentscheidungen, die in den jeweiligen Dienstbehörden organisatorisch umgesetzt werden müssen. So kann z.B. der Nachweis der Notwendigkeit der Pflege oder Betreuung einer / eines Angehörigen in der Regel nur mit einem ärztlichen Gutachten erbracht werden.

§ 55 Absatz 1 LBG enthält eine urlaubsrechtliche Regelung, nach der - sofern zwingende dienstliche Gründe dem nicht entgegenstehen - Beamtinnen und Beamten mit Dienstbezügen Urlaub ohne Dienstbezüge bis zu einer Dauer von 12 Jahren zu gewähren ist, solange mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder eine pflegebedürftige sonstige Angehörige/ein pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger tatsächlich betreut oder gepflegt wird.

Konkrete Verfahrensregelungen bestehen hierzu ebenso nicht. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Ferner finden sich in den zu § 7 Absatz 1 Sonderurlaubsverordnung (SUrlVO) in der Fassung vom 1. Januar 1971 (GVBl. S 245), zuletzt geändert durch Artikel III der Verordnung vom 26.08.2014 (GVBl. S. 323), erlassenen Ausführungsvorschriften über den Urlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter aus besonde-ren Anlässen (AV Sonderurlaubsverordnung – AV SUrl-VO) vom 7. März 2007 (ABl. Nr. 11 S. 666) urlaubsrechtliche Regelungen für Fälle einer schweren Erkrankung von im selben Haushalt lebenden Angehörigen, von Kindern bis zum 12. Lebensjahr sowie von Betreuungspersonen, wenn das zu betreuende Kind das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder dauernd pflegebedürftig ist. In diesen Fällen ist Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung für die Dauer zwischen 1 bis 4 Arbeitstagen zur Pflege oder Betreuung zu gewähren.

Allgemeine Verfahrensregelungen hierzu bestehen nicht. Vielmehr ist bereits aus § 13 SUrlVO zu entnehmen, dass die zu § 7 SUrlVO erforderlichen Entscheidungen die zuständige Dienstbehörde trifft. Nach dem Wortlaut der Regelungen ist dort zu prüfen, ob eine andere Person zur Pflege und Betreuung nicht zur Verfügung steht und ob eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit einer Anwesenheit der Beamtin/des Beamten vorliegt.

Hierzu ergänzend bestehen mit den Ausführungsvorschriften über den Urlaub der Beamten und Richter aus besonderen Anlässen vom 3. August 2005 (DBl. I S. 85) weitergehende Regelungen für Fälle einer schweren und schwersten Erkrankung von Kindern, die die Grundlage für weitergehende Beurlaubungen in Anlehnung an § 45 Absatz 4 SGB V schaffen.

Zu 4.:
In einem konkreten Einzelfall wurde ein Antrag aus dienstlichen Gründen abgelehnt.

Zu 5.:
In der überwiegenden Anzahl der Dienststellen werden Informationsveranstaltungen z.B. im Rahmen von Gesundheitstagen, Frauenversammlungen oder Workshops auch für Führungskräfte zum Thema Pflege angeboten oder sind geplant. Selbsthilfegruppen haben bisher einen nur geringen oder keinen Anklang gefunden, da entweder kein Bedarf besteht oder Beschäftigte private Belange nicht im dienstlichen Rahmen erörtern möchten. Für diese Fälle bestehen vereinzelt Angebote, kostenlos sog. Pflegestützpunkte oder Beratungsstellen (z.B. Fürstenberg-Institut) in Anspruch nehmen zu können.

Zu 6.:
Insgesamt ist festzustellen, dass sich ein familienfreundlicher und wertschätzender Führungsstil etabliert hat. Teilweise haben diese Grundsätze sowohl Eingang in Leitbilder und Leitsätze von Verwaltungen als auch in die Anforderungsprofile für Leitungskräfte gefunden, so dass hier eine außerordentliche Verbindlichkeit besteht. Daher besteht grundsätzlich an besonderen schriftlichen Empfehlungen an die Leitungskräfte kein Bedarf mehr.

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