AG Lager Sachsenhausen 1945-50 e.V.
06.05.2014, 10:17 Uhr
 
Gerhard Taege zu Gast in der Potsdamer Leistikowstraße

Zu einem Zeitzeugengespräch hatte Dr. Richard Buchner in die Gedenk- und Begegnungsstätte des ehemaligen KGB-Gefängnisses in der Potsdamer Leistikowstraße eingeladen. Mitveranstalter war die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945 – 1950 e.V., im Podium vertreten durch ihren Vorsitzenden Joachim Krüger, MdA. Den Abend bestritt mit großem Engagement und für sein hohes Alter erstaunlicher Dynamik Gerhard Taege, der als SMT-Verurteilter mehrere Jahre im Speziallager Sachsenhausen - bis zu dessen Auflösung 1950- am eigenen Leibe die damaligen grauenvollen Haftbedingungen ertrug, aber auch überlebte.

Gerd Taege (links) gemeinsam mit seinem Sohn

Eindrucksvoll berichtete Gerd Taege, Jahrgang 1928, über seine Jugendzeit in Eberswalde, wo er nach dem Schulbesuch und einer recht unbeschwerten Jugend eine Tischlerlehre begann, die dann in seine Einberufung zur Wehrmacht noch in den letzten Monaten vor dem Kriegsende mündete. Bis dahin wenig von den politischen Verhältnissen der damaligen Zeit berührt, erinnert er sich jedoch noch heute an den Abend, als die Synagogen brannten und ein Familienmitglied zu ihm und seinem Bruder sagte, das werde den Deutschen teuer zu stehen kommen.

Nach kurzem Einsatz an einer 10,5cm-Flak in Norddeutschland kam er in englische Kriegsgefangenschaft, wobei er über den Umgang mit den deutschen Gefangenen nur Gutes zu berichten wusste, einschließlich der Fürsorge der Engländer, bei deren Entlassung diejenigen Deutschen zu warnen, die in das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone zu ihren Angehörigen aufbrechen wollten.

In seiner Heimatstadt Eberswalde angekommen, hatte er zum ersten Mal unmittelbaren Kontakt mit russischen Soldaten. Dabei machte er im Freundeskreis einige abfällige Bemerkungen über deren abgerissenes Äußeres im Vergleich zu den englischen Truppen, die er kennengelernt hatte.

In dieser unmittelbaren Nachkriegszeit blühte in der SBZ das Denunziantentum und so wurde Gerd Taege angeschwärzt, abträgliche Bemerkungen über die rote Armee gemacht zu haben und damit der Sowjetmacht seine feindliche Haltung gezeigt und sie tief beleidigt zu haben: Dies wurde als Hetze gegen die Sowjetmacht eingestuft. Am 20. Dezember 1945 erfolgte seine Verhaftung; nach kurzem Prozess, der jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn sprach und keine menschenwürdige Verteidigung erlaubte, erfolgte die Verurteilung zu 10 Jahren Zwangsarbeit.

Sein Leidensweg führte über das NKWD-Lager Alt-Strelitz im September 1946 nach Sachsenhausen. Mit noch immer großer emotionaler Anteilnahme berichtete Gerd Taege über die dortigen Haftbedingungen: Die Menschen waren zu Dutzenden auf engstem Raum eingepfercht, die sanitären Bedingungen waren unbeschreiblich schlecht; ein letzter Rest vom Intimsphäre wurde zerstört, um den Überlebenstrieb der Gefangenen zu brechen. Die tägliche Nahrung, so berichtet Gerd Taege, war völlig unzureichend, aber schlimmer noch waren die hygienischen Bedingungen, die zu Massenerkrankungen und in der Regel zum unausweichlichen Tod führten, da Medikamente und ärztliches Personal kaum oder gar nicht vorhanden waren.

Lange Monate waren die Häftlinge völlig isoliert, durften ihre Haftbaracke nur zum Appell verlassen und hatten keinen Kontakt zur Außenwelt; ihre Familien wussten nichts über ihren Verbleib.

Gerd Taege hatte Glück im Unglück: Er war jung, nicht groß gewachsen, stämmig würde man heute sagen. Er konnte die Arbeit als Träger für die Essenkanister leisten und hatte damit die Chance, etwas mehr Nahrung zu erhalten. Im Industriehof neben der Zone 1 konnte er seine Tischlerkennnisse bei der Abarbeitung von Aufträgen der Russen einsetzen, was ihm weitere Überlebenschancen eröffnete. So manche Mohrrübe, des nachts unter Lebensgefahr aus der Gärtnerei entwendet und gar gekocht, ergänzte die Tagesration. Und doch war sein Körpergewicht längst unter 100 Pfund gefallen, als er – nach einer Tätigkeit im „Nachkommando“ – Sachsenhausen am 5. März 1950 verlassen konnte. Noch heute ist dieser Tag für ihn wie der einer zweiten Geburt. Was danach kam, war anfangs auch nicht einfach: Hilfsarbeiter beim Kohlenschippen, Zwangsverpflichtung zur Wismut nach Aue, Flucht nach West-Berlin und dann endlich Aufnahme einer Lehre mit guter Berufsperspektive, Heirat, Familie.

Gerd Taege hatte es geschafft, aber noch heute kommen ihm die Tränen und erstickt ihm die Stimme, wenn er über das Schicksal all‘ derer berichtet, die diese Haftbedingungen nicht überlebten und zu den mehr als 12 000 Toten des Speziallagers Sachsenhausen zählen. Er hebt hervor, dass letztendlich nur der enge Zusammenhalt mit einer Handvoll Kameraden während der Lagerzeit, die sich gegenseitig unterstützt und ermutigt haben, ein Überleben ermöglichte, und dazu musste viel Glück, sehr viel Glück kommen!

Mit Beifall, aber insbesondere innerer Betroffenheit und Anteilnahme dankten die Anwesenden Gerd Taege für seine Ausführungen.

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