Reden
02.12.2013, 13:00 Uhr | Abgeordnetenhaus von Berlin
 
Rede zum Thema Ehrenamt

Vorsitzender Martin Beck: Ich gehe jetzt einfach weiter in der Redeliste. – Herr Krüger!

Abgeordnetenhaus von Berlin -

Joachim Krüger (CDU): Anders, als viele von Ihnen, hatte ich nicht den Vorspann der beiden ersten Sitzungen. Ich bin auch erst seit ein paar Minuten im Besitz des Protokolls der Anhörung und konnte jetzt Teile davon lesen. Ich will trotzdem versuchen, ganz wenige Bemerkungen zu machen. Zum einen war es immer meine Vorstellung, als wir über diesen Ausschuss diskutiert haben und sein Zustandekommen und Werden und wie er sich zukünftig darstellen soll, dass eines nicht passiert, nämlich dass man aus allen anderen Politikfeldern sagt: Jetzt haben wir endlich einen Ausschuss, der sich um das Ehrenamt kümmert, nun brauchen wir darüber nicht mehr nachzudenken. Jetzt ist einer da, der macht die Arbeit, und wir machen fröhlich weiter wie bisher. – Das soll es sicherlich nicht sein. Darüber sind wir uns vielleicht auch ganz schnell einig. Ich wäre sehr zufrieden, wenn dieser Ausschuss auf Dauer, was die Ehrenamtsbetrachtung und den Umgang mit Ehrenamt, mit bürgerlichem Engagement angeht, ansteckend wird für andere, damit wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle eine Initialzündung machen können, dass aber in anderen Politikfeldern das, was Ehrenamt ausmacht, auch ernsthaft und durchaus mit einem gewissen zeitlichen, aber auch inhaltlichem Engagement übernommen wird. Sonst haben wir, glaube ich, unsere Aufgabe hier verfehlt.

Das Zweite: Ich versuche mir beim Ehrenamt, da ich mir selbst gar nicht vorstellen kann, ohne Ehrenamt zu leben, in den verschiedenen Phasen des Lebens, die ich bisher hinter mir habe, klar zu machen: Worüber reden wir hier eigentlich? – Das sind ja eigentlich sehr konkrete Dinge. Drei Beispiele: Wenn in einem Sportverein junge Menschen trainiert werden, dann möchte ich gar nicht, dass das ein staatlich bezahlter Trainer macht, sondern dann finde ich es unheimlich toll, wenn sich ein Mensch engagiert, mit seiner Zeit da reingeht und sagt: Ich möchte gerne jungen Menschen von dem, was ich kann, von dem, was ich gelernt habe, etwas vermitteln. Wenn es darum geht, in einem Krankenhaus Besucherdienste zu machen und Menschen, die gerade wieder dabei sind, etwas gesünder zu werden, mit ihnen zu sprechen, ihnen etwas vorzulesen, ihnen das Leben ein wenig besser zu gestalten, dann ist das für mich genauso Ehrenamt, wie wenn jemand versucht, in einer Bibliothek Kindern vorzulesen, um sie vielleicht ein bisschen mehr an Literatur oder erst einmal überhaupt an Kinderbücher heranzuführen. Diese ganz einfachen, aber wichtigen und menschlich wesentlichen Tätigkeiten machen für mich erst Ehrenamt aus. Deswegen ist von vornherein meine Einstellung, dass, wer so etwas macht, anderen nicht die Arbeit wegnimmt, sondern er ergänzt in wesentlichem Maße Arbeit, die andere professionell weiterhin leisten müssen. Etwa den Umgang mit einer Bücherei und den Einkauf von Büchern würde ich viel eher den Hauptberuflichen zutrauen, aber diese ganzen Zusatzarbeiten, wo es menschlich wird, kann ich nicht als Arbeitsminuten rechnen, sondern da finde ich es schon schön, wenn Ehrenamtliche hinzukommen und das gestalten. Das zeigt sich in vielen Bereichen.

Da habe ich eine Erwartungshaltung, und die Erwartungshaltung hoffe ich durch diesen Aus-schuss auch unterstützt zu bekommen, dass der eine den anderen, der Hauptberufliche den Ehrenamtliche nicht von oben betrachtet und sagt: Jetzt kraucht der hier auch noch herum, macht mir meine Arbeit schwer und quatscht womöglich noch dazwischen und weiß alles besser. Nein, dass man hier erkennt, dass man sich ergänzt und nicht verdrängt und dass man den anderen auf gleicher Augenhöhe wahrnimmt, dass man versucht, den Kontakt so zu gestalten, dass beide sich finden können und ihre Arbeit wertgeschätzt erhalten. Es sind schon ein paar Sachen genannt worden im Sinne von Anerkennung. Was der eine unter anderem durch Lohn hat, aber hoffentlich auch durch Anerkennung seiner Vorgesetzten, muss hier dann durch Anerkennung des Ehrenamts, der ehrenamtlichen Arbeit erfolgen.

Der Grat der Intensität, wie die Einzelnen Ehrenamtsarbeiten machen, ist sicherlich unterschiedlich, aber es bleibt jedem überlassen, wie er das macht. Nur, dass hinter Ehrenamt auch immer Verantwortung steht, das muss allen deutlich werden, denn einfach nur mal reinriechen und dann wieder alles fallen lassen, das kann es nicht sein. Auch das Element Qualifizierungsangebote, das Herr Zinner angesprochen hat, ist ganz hervorragend, aber nicht unter dem Aspekt: Wir wissen es besser, und du musst es jetzt lernen, sondern unter dem Aspekt: Ich möchte mich als Ehrenamtlicher noch ein Stückchen mehr an Möglichkeiten, die ich habe, heranarbeiten. – Wenn man das so sieht und wenn man das so einfädelt, dann kann das insgesamt auch sinnvoll sein.

Der „entfesselte Bürger“. Das Wort gefällt mir unheimlich gut. Ich stelle mir den Bürger vor, gefesselt durch Fernsehprogramme, durch Dinge, die ihn im Grunde passiv machen, und jetzt kommt die große Entfesselung, und er sagt: Jetzt mache ich was für mich und für andere und engagiere mich. – Wenn Sie so „entfesselt“ verstehen, finde ich das ganz toll. Ich bleibe da-bei, dass das, was hier über Glücksproduktion gesagt wurde, ganz wichtig ist. Ich kann das aus allen meinen Ehrenämtern, die ich irgendwann einmal gemacht habe und vielleicht noch weiterhin machen darf, immer wieder herausfiltern: Es war der Spaß an der Sache, der einen letztendlich hält. Die Freude, die man hat, wenn man anderen Menschen Freude macht oder wenn man merkt, dass andere Freude empfinden, ich glaube, das ist immer der größte Lohn für das Ehrenamt. Damit will nicht beiseite rücken, dass es auch einer Anerkennungskultur bedarf, aber ich glaube, in erster Linie kommt vieles zurück in dieser Arbeit, und wenn das als Glücksproduktion gemeint ist, als Potenzial, dann finde ich das gar nicht so schlecht.

Ich würde neben dem Begriff des Innovationspotenzials die Vermenschlichung der Gesellschaft setzen, denn vieles ist über das Ehrenamt ohne Dokumentation, ohne Ausführung von Verwaltungsvorschriften möglich, indem man ein Stück Herz investiert. Das möchte ich mir eigentlich von niemandem durch irgendwelche Strukturen und Bürokratisierungen kaputt machen lassen. Ich glaube, letztendlich müssen die Menschen, die Ehrenamt leisten, auch Spaß daran haben. Sie müssen sich einbringen wollen, und das soll dann auch anerkannt werden.

Vorsitzender Martin Beck: Vielen Dank, Herr Krüger! – Ich habe jetzt noch Herrn Lauer auf der Redeliste.

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